Am 12.02.2019 fand am Amtsgericht Leipzig der 11. Prozess gegen die mutmaßlichen Täter des Angriffs auf Connewitz am Amtsgericht Leipzig statt. In dieser Verhandlung wird gegen insgesamt 4 Angeklagte zeitgleich verhandelt: Mike J., Sebastian L., Marcus S. und Robby S.. Die Angeklagten verhalten sich unterschiedlich umfangreich geständig und werden schließlich zu Bewährungsstrafen verurteit. Die Urteile sind mittlerweile rechtskräftig.
Während des Prozess werden die Angeklagten werden durch die Rechtsanwält_innen Czempik, Wirth, Eichenberg und einem weiteren Rechtsbeistand vertreten. Die Verhandlung führt Richterin Hahn.
Zu Verhandlungsbeginn betritt der Angeklagte Sebastian L. den Gerichtssaal mit einer Anonymousmaske in der Hand. Während der Verlesung der Anklageschrift wird ersichtlich, dass der Angeklagte Mike J. Quarzsandhandschuhe mitgeführt hatte, einem weiteren Angeklagten wird das Mitführen eines Schlauchschals zur Last gelegt. Auch in dieser Verhandlung erklärt Richterin Hahn, dass der Verhandlung ein Vorgespräch zwischen der Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht vorausging, in welchem den Angekagten zur Aussicht gestellt wurde, Strafminderungen zu erhalten, sollten sie sich geständig zeigen. Im Falle eines glaubhaften Geständnisses erwarten die Angeklagten Freiheitsstrafen zwischen einem Jahr und drei Monaten und einem Jahr und 8 Monaten, die auf Bewährung ausgesetzt werden können. An der Vereinbarung halten alle Parteien fest.
Die Einlassungen
Sebastian L. äußert sich als erster der vier Angeklagten. Er sei in einer großen Masse an schwarz gekleideten Personen am 11.01.2016 in Connewitz unterwegs gewesen. Die Gruppe ist auf der Wolfgang-Heinze-Straße gelaufen. In der Gruppe habe sich L. ziemlich weit hinten befunden. Er sei sich vorgekommen wie im falschen Film. Als Rufe habe er „quasi Hooligans, mehrmals“ wahrgenommen. Danach seien Sachen kaputt gegangen und die Polizei angekommen. Daraufhin habe sich die Gruppe in eine Seitenstraße bewegt und sei dort festgenommen wurden. In der Befragung durch Richterin Hahn erklärt der Angeklagte L., um sich zu treffen sei der Vorwand gewesen zu Legida zu gehen. Richterin Hahn hält dem Angeklagten vor, Whatsapp-Daten des Angeklagten vorliegen zu haben und dass es ersichtlich sei, dass es sich dabei nicht um eine spontane Verabredung handelte. L. erklärt daraufhin, sich mit Personen in Thekla (Leipzig-Nord) getroffen zu haben. Richterin Hahn fragt ungläubig ob es sich nicht doch um einen Treffpunkt am Naunhofer See gehandelt habe. Dort am Parkplatz haben sich laut L. bereits 300 Leute befunden, er sei mit jemandem mitgefahren und habe das Treffen über Whatsapp vereinbart. In dem daran anknüpfenden Gespräch in dem es um den Ort des Parkens geht erklärt L, er habe da schon Vermummungen erkannt, jedoch keine Gegenstände bemerkt. Während des Geschehens habe er zwar versucht sich zu entfernen, das sei jedoch aufgrund seiner Unaufmerksamkeit gescheitert, Pyrotechnik habe er gesehen. Auf die Nachfrage der Richterin, ob es im Vorfeld Anweisungen zum Kleidungsstil gegeben habe gibt L. zu verstehen, dass gefordert wurde schwarze Kleidung zu tragen. Die Staatsanwaltschaft erkundigt sich schließlich nach der Absprache am Naunhofer See. L. behauptet er habe nicht viel verstanden, glaube aber es sei die Rede davon gewesen gemeinsam zu Legida zu gehen. Die Staatsanwaltschaft äußert suggestiv dabei den Satz „Sie wussten also hinterher auch nicht mehr als vorher“. Nach Leipzig reingefahren seien sie über die Abfahrt Markleeberg. Nachdem die Gruppe durch eine dunkle Gasse und eine lange Straße entlang sei, sei sie schließlich auf die Wolfgang-Heinze-Straße gebogen, wo es „schon zur Sache“ ging. Das Geschehen sei plötzlich gestartet, ein Kommando („Los Jetzt!“) habe es gegeben. Er habe sich in der Masse weit hinten aufgehalten und sich von dem Geschehen distanziert, beteuert L., Freunde oder Bekannte will er nicht gesehen haben. Die Staatsanwaltschaft fragt nach Personen, mit denen er im Vorfeld darüber kommuniziert hat. L. behauptet über eine Whatsapp-Gruppe davon mitbekommen, jedoch nicht alles gelesen zu haben, weil es ihm „auf den Sack“ ging. Es wird schließlich zur Frage, ob er daran gehindert worden sei zu gehen aus der Whatsappauswertung den Satz „morgen wird nicht geflitzt, wer flitzt ist ein Verräter“ vorgelesen. Damit endet die Befragung des ersten Angeklagten. Der zweite Angeklagte, Robby S., lässt über seine Verteidigung eine Erklärung abgeben. Darin heißt es er habe von der Verabredung über einen Whatsapp-Chat mit einem Bekannten erfahren, dessen Namen er jedoch nicht nennt. Bereits am Nachmittag hätten sie sich um ca. 15 Uhr in Leipzig am Adler getroffen und seien mit weiteren Personen, deren Namen er ebenfalls nicht nennt, schließlich zum Parkplatz (dem Treffpunkt) gefahren und dachte es ginge zu Legida. Dort in Naunhof habe es geheißen „Wir haben die Kennzeichen, wer abhaut ist dran“. In Connewitz selbst hätten ein paar Personen aufgepasst das niemand geht. Die Rede ist von Gruppenzwang. Während des Geschehens habe er Hooligan-Rufe und Sachbeschädigungen durch Pyrotechnik gesehen, mehr habe er nicht wahrnehmen können. Bei der Einkesselung durch die Polizei sei es nicht mehr möglich gewesen sich zu entfernen. Aufgrund einer Outingkampagne habe er seinen Arbeitsplatz bei der Stadtreinigung Leipzig verloren. Das Gericht stellt im Anschluss Fragen danach, wovor er sich gefürchtet habe. Über sein Kennzeichen sei er ja schließlich nicht zu identifizieren gewesen. Auch nach einer Bedrohung fragt die Richterin kritisch und bemerkt dabei „angeblich hat man doch niemanden erkannt, wie sollten sie da bedroht worden sein?“. Die Verteidigung von S. verweist ausweichend auf die Erklärung.Der dritte Angeklagte, Marcus S., gibt bekannt dass es ihm für die Geschädigten leid tue. Seine Absicht sei es nicht gewesen, Dinge zu zerstören. Er habe sich vor Ort befunden, aber nie mit der Absicht „zu zerstören“. Richterin Hahn erkundigt sich also nach seiner wirklichen Absicht. Der Angeklagte beteuert, er habe zu Legida gewollt, habe aber keine „rechtsradikale Gesinnung“, sei kein Hooligan sondern „ein normaler Mensch, zahle meine Steuern“. Zum Treffpunkt sei er mit seinem eigenen PKW gefahren. In Leipzig sei er „nicht sehr ortsbekannt“ (sic!). Auf einer Hauptstraße hätten sie sich gesammelt. Als er realisiert habe was wirkliche passiere sei es zu spät gewesen. Er sei deswegen „dummerweise geblieben“. Über Whatsapp habe es Verabredungen gegeben hält ihm Richterin Hahn vor. Ob er schon mal bei Legida gewesen sei verneint der Angeklagte dabei. Er habe jedoch 30 mal in dem Whatsapp-Chat die Nachricht „Wamsen“ [so viel wie schlagen, prügeln, Anm. Redaktion] geschrieben. In seinem PKW habe Marcus S. 2 Personen mitgenommen, deren Namen er jedoch nicht nennt. Er habe sich im letzten Viertel des Aufzugs befunden. Einen Rädelsführer habe er gesehen, dieser habe Kommandos gegeben. In der anschließenden Befragung durch die Staatsanwaltschaft wird sich nach Vermummungen erkundigt. „Nur einzelne“ seien das gewesen, er selbst sei ja auch nicht vermummt gewesen. Gegenstände habe er keine bemerkt, aber gesehen dass „ein, zwei“ Personen körperlich bedrängt und deswegen gehindert wurden zu gehen. Damit endet seine Befragung, es folgt die des letzten Angeklagten, Mike J.Dieser gibt über seine Verteidigung bekannt, dass er einige Tage vorher über Buschfunk davon erfahren habe und auch vor Ort gewesen sei. Auf die Rückgabe seiner Quarzsandhandschuhe verzichtet er. Weitere Angaben wolle er nicht machen, Fragen würde er nicht beantworten.Damit enden die Einlassungen und die Beweisaufnahme wird gegen 10:11 uhr eröffnet.
Beweisaufnahme
Es folgt die Befragung des Zeugen F. (Polizeibeamter), der bereits mehrfach vor dem Amtsgericht Leipzig ausgesagt hat. Er sei im Zentrum bei Legida stationiert gewesen und berichtet von seinem Einsatz. Die Richterin fragt ihn im Anschluss an seine Schilderung, ob es Lücken in der Gruppe in Connewitz gegeben habe. Er erklärt es hätten ca. 10 Personen versucht zu entkommen, der Rest sei relativ kompakt gewesen. Die Staatsanwaltschaft fragt nach dem Verhalten einzelner, ob er dies unterscheiden könne oder ob er den Eindruck einer homogenen Masse gehabt habe. Die Gruppe habe F. erst in der Auerbachstraße richtig wahrgenommen. Sie sei sehr kompakt gewesen. An Vermummungen könne er sich nicht erinnern.Es habe sich jedoch niemand aufgrund von vermeintlichen Bedrohungen oder dass er raus wolle aus der Gruppe an ihn gewandt. Die Verteidigung von Robby S. erkundigt sich wieviele Personen aus der Gruppe allgemein Angaben zum Sachverhalt gemacht hätten. F. Könne dazu nichts sagen. Weiter wird sich über Probleme bei der Verbringung der Beschuldigten erkundigt, zu denen F. aber auch nichts sagen könne. Im Anschluss daran wird eine kurze Pause einberufen und schließlich die Zeugenbefragung fortgesetzt.Der Zeuge G., ebenfalls Polizeibeamter, berichtet dabei von seinem Einsatz. Er erinnere sich, dass zu Beginn ca. 80% vermummt gewesen seien. Das Verhalten einzelner könne er nicht unterscheiden, weil alle relativ geschlossen auftraten.Gegen 10:53 Uhr werden die restlichen Polizeivermerke und Zeugenvernehmungen im Selbstleseverfahren angeordnet. Richterin Hahn liest dazu die Listen vor. Es werden außerdem 6eingegangene Notrufe abgespielt.
Die Verhandlung wird um 11:15 Uhr für eine halbe Stunde pausiert. In der Fortsetzung wird auf die Bewegungsmusteraufstellungen für Marcus S. Und Sebastian L. aus der Auslesung der Mobilfunkdaten verwiesen. Im Bundeszentralregister würde es für keinen der vier Angeklagten registrierte Vorstrafen geben.
Damit endet die Beweisaufnahme und die Plädoyers erfolgen.
Die Plädoyers
Die Staatsanwaltschaft spricht in ihrem Plädoyer davon, dass ein großer Teil der Gruppe vermummt und geschlossen aufgetreten sei. Es habe einen Treffpunkt vorher gegeben und es sei bemerkbar gewesen, dass es nicht zu Legida ginge. Mehrere Möglichkeiten sich zu entfernen hätten bestanden und die Staatsanwaltschaft bezweifle, dass ein so großer Teil der Gruppe eigentlich nicht mitmachen wolle. Aus der Auslesung der Mobilfunkdaten von Sebastian L. und Marcus S. sei ersichtlich, dass es ihnen nicht um eine friedliche Sache gegangen sei. Die Staatsanwaltschaft geht deswegen davon aus, dass L. und S. bekannt gewesen sei, dass etwas gewalttätiges passiere. Marcus S. habe sich schließlich „eingegroovt“ in dem er „wamsen, wamsen, wamsen“ schrieb. Den Angeklagten sei zwar vielleicht nicht das konkrete Ausmaß der Handlungen bewusst gewesen, doch sie hätten es zumindest für legitim befunden. Auch dem Angeklagten Mike J. sei dies bewusst gewesen, denn er hatte Quarzsandhandschuhe dabei. Nach §125 StGb hätten sich alle als Täter schuldig gemacht. Zur Tatherrschaft bemerkt die Staatsanwaltschaft, die Angeklagten hätten sich aktiv beteiligt und einen eigenen Tatbeitrag vollzogen, durch den das Gelingen der Tat ermöglicht worden sei. Die Staatsanwaltschaft geht deswegen davon aus dass die Angeklagten Kenntnis von den Gewalttaten hatten und es sich dabei um einen geplanten, organisierten Einmarsch in Connewitz gehandelt habe. Die Angeklagten seien nicht durch Zufall vor Ort gewesen sondern hätten sich bewusst dafür entschieden, das zeige auch das Marschieren einer längeren Strecke. Beim vorliegenden Sachverhalt handele es sich um das ostentative Mitmarschieren, durch das die Angeklagten ihre Solidarität mit dem Vorhaben, einen größtmöglichen Schaden anzurichten, bekundet hätten. Bei allen Angeklagten läge der Sachverhalt des besonders schweren Landfriedensbruchs vor: bei Mike J. durch seine mitgeführten Quarzsandhandschuhe; bei Sebastian L., Marcus S. und Robby S. durch den besonders hohen Schaden. Den Angeklagten L., S. Und S. Sei jedoch anzurechnen dass sie nicht vorbestraft seien und keine weiteren Straftaten begangen hätten. In allen Fällen sei die Tat schon über drei Jahre her. Zu Lasten zu legen sei ihnen die Gefährlichkeit, nicht nur für die Sachen sondern auch für Leib und Leben sowie der hohe Schaden. Die Staatsanwaltschaft fordert deswegen für Sebastian L eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, für Robby S. Und Marcus S. Ein Jahr und fünf Monate sowie für Mike J. ein Jahr und 6 Monate, weil er nur formal ein Geständnis, jedoch keine Distanzierung abgelegt habe. Aus Sicht der Staatsanwaltschaft könnten diese Strafen zu Bewährung ausgesetzt werden, da alle eine positive Kriminalprognose hätten. Als angemessen erachtet die Staatsanwaltschaft eine Auflage von 200 bzw. 150 Arbeitsstunden für Sebastian L. und Robby S. Sowie eine Auflage von 2600€ bzw. 2800€ für Marcus S. und Mike J..
Die Rechtsanwältin von Sebastian L. erklärt in ihrem Plädoyer, ihr Mandant habe sich geständig eingelassen. Er habe beteuert Straftaten gesehen, Hooligan-Rufe gehört und Pyrotechnik bemerkt zu haben. Sich abzusetzen sei ihm nicht möglich gewesen, er habe stattdessen dem subtilen Druck nachgegeben. Er habe keine Waffen mitgeführt und selbst keine Sachbeschädigungen begangen. Er sei nicht vermummt und die Tat lange her gewesen. Sie fordert eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten für ihren Mandanten. Robby S.‘ Rechtsanwalt erklärt, sein Mandant habe sich geständig gezeigt. Er sei mitgegangen, es habe jedoch auch Druck auf ihn gegeben. Das sei auch im Whatsapp-Chatverlauf ersichtlich. Er spricht in seinem Plädoyer von Gruppenzwang. Den Sachverhalt des besonders schweren Landfriedensbruchs sei jedoch im Gesetzbuch nicht zu finden. Er plädiert für seinen Mandanten auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zu 100 Arbeitsstunden ausgesetzt werden solle, weil sein Mandant eine positive Sozial- und Kriminalprognose aufweise.Die Rechtsanwältin von Marcus S. erklärt, ihr Mandant habe über Whatsapp über Legida gesprochen, nicht über Connewitz. Dass er „Wamsen Wamsen“ geschrieben habe sei dämlich gewesen. Sein Ziel sei nicht Connewitz gewesen. Er habe sich geständig gezeigt und sei nicht vorbestraft, er habe keine Waffe mitgeführt und sei nicht vermummt gewesen. Ihm tue es „unendlich leid“ und würden sich Geschädigte im Gericht befinden hätte er sich entschuldigt. Sie plädiert auf eine Bewährungsstrafe von einem Jahr und drei Monaten, die zu einer Geldstrafe auf 8 Monate ausgesetzt werden solle. Der Rechtsanwalt von Mike J. Beteuert, sein Mandant habe ein „umfassendes Geständnis“ abgelegt und eine große Gruppendynamik bei der Tat bemerkt. Er sei nicht vorbestraft, weshalb das Strafmaß im unteren Bereich anzusetzen sei.
Vor der Urteilsfindung äußert sich Robby S. noch einmal und beteuert ihm tue es leid und normalerweise sei das „nicht das, was meins ist“.
Das Urteil
In der Urteilsverkündung erklärt Richterin Hahn, Sebastian L. und Robby S. würden zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und vier Monaten, Marcus S. Und Mike J. Zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünft Monaten verurteilt.Sie begründet dies damit, dass der Wohnbereich Connewitz von Linken für sich beansprucht würde, dort aber auch „viele normale Leute“ wohnen würden. „Normale Geschäfte“ gebe es dort auch. Sie hinterfragt dabei, was für Freunde/Kameraden die Angeklagten hätten. Sie erzählt dabei abwertend von Hooligans mit ihren seltsamen Orang-Utan-Männer-Nummern und hält den Angeklagten vor: „Ihr könnt eure Meinung vertreten, aber dann gewaltfrei“. Leipzig sei bunt. Die Angeklagten Mike J. Und Marcus S. sollen eine Auflage von 2000€, die Angeklagten Sebastian L. und Robby S. je 150 Sozialstunden leisten.
Zum Zeitpunkt der Berichtsveröffentlichung sind alle Urteile rechtskräftig.