Am 18. Juni 2019 beginnt am Amtsgericht Eilenburg die Verhandlung gegen zwei mutmaßliche Täter des 11.01.2016. Angeklagt sind an diesem Tag Philipp B. und Kai H., die sich von den Anwälten Trik und Wolfram Nahrath vertreten lassen. Die Staatsanwaltschaft ist durch Herrn Merkel vertreten, der zuständige Richter stellt sich nicht namentlich vor, dafür ist der Verteidiger Nahrath bekannt. In der Vergangenheit mauserte er sich zur rechtsanwaltlichen Szenegröße der Neonaziszene.
Außerdem anwesend ist die Jugendgerichtshilfe (JGH).
Die Verlesung der Anklageschrift erfolgt durch Staatsanwalt Merkel. Die Anklage gegen die beiden mutmaßlichen Täter wurde am 13.02.2018 erhoben. Dass diese Erwähnung notwendig ist, zeigt sich bei einem Streitgespräch zwischen Verteidigung, Staatsanwaltschaft und Gericht über Formalien dieses Verfahrens. Demnach hat das Eilenburger Gericht am 20.02.2018 nach seiner Zuständigkeit gefragt und am 19.03.2019 einen Antrag gestellt, die Verhandlung am Jugendschöffengericht durchzuführen. Am 03.04.2019 sei schießlich beschlossen worden, die Verhandlung am Amtsgericht Eilenburg durchzuführen, bei dem das Verfahren nun eröffnet wurde. Da bis dato jedoch keine Äußerungen der Angeklagten eingegangen sind,weist der Richter die beiden deshalb darauf hin, dass die Möglichkeit zu Geständnissen besteht. Für eine Abstimmung der Verteidigung soll die Verhandlung kurz pausiert werden, nachdem der Richter feststellte, er würde den Bericht der JGH „noch schnell vorziehen“, bevor es um die Verfahrensabsprache gehe.
Laut dem Bericht ist Philipp B. der Jugendgerichtshilfe seit 2012 bekannt. Wodurch wird aber nicht genauer bestimmt. Stattdessen merkt die JGH unvermittelt an, dass Philipp B. ihrer Empfehlung nach nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen ist. Er weise eine geradlinige Entwicklung sowie eine „sehr positive“ Sozialprognose auf und absolvierte eine Ausbildung im Landwirtschaftsbereich, die er 2016 abschloss. Der in Bad Taune Kampfsport trainierende Philipp B. zog der JGH zufolge 2015 schon in seinen eigenen Haushalt nach Eilenburg.
Nach diesem kurzen Bericht erfolgt die viertelstündige Verhandlungspause zur Verfahrensabsprache der Verteidigung. Nach einer knappen halben Stunde kommen die Verteidiger zu ihren Mandanten zurück, um diese aus dem Saal zu holen. Der Richter ist bis zur Fortsetzung der Verhandlung abwesend. Als es weiter geht, erklärt Anwalt Wolfram Nahrath, dass die Vorstellungen der Verteidigung und der Staatsanwaltschaft diametral auseinander gingen, so dass der „entstandene Graben“ sich nicht „überbrücken“ ließe, es in der Folge also keine Verständigung zwischen Gericht und Verteidigung gäbe. Auf die von dem Gericht gewünschten Einlassungen wäre sein Mandant nicht vorbereitet und obendrein bestünde die Gefahr, dass „seine Aussagen in Archiven landen“. Ein entsprechendes „Playback“ bzw. die „Sorge noch mehr abzukriegen“ erregten in seinem Mandanten „höchste Besorgnis“, er würde sich deshalb nicht einlassen. Anwalt Trik verfolgt die selbe Strategie: auch sein Mandant sei nicht auf die gewünschte Einlassung vorbereitet, sie müssten „beide nochmal in sich gehen“. Er teile das Bedenken zu den persönlichen Daten wie sein Kollege und beteuert, sein Mandant habe sich „einigermaßen distanziert“. Der Angeklagte Philipp B., der überhaupt nicht sein Mandant ist, sei schon „angequatscht“ worden. Er kriege quasi „von beiden Seiten“ eine auf’n Deckel, wenn er aussagen würde.
Im Anschluss rekuriert Nahrath auf §153 (a) des StGB und stellt spöttisch die Frage „Was soll als Sanktion nach 3 1/2 Jahren bleiben?“. Es kollidieren die Interessen, sodass der Neonazi-Anwalt mit der Bemerkung abschließt „Ich hab da auch meine Meinung“. Im nationalsozialistischen Jargon bezeichnet er die Anklage der Staatsanwaltschaft als „Minus-Anklage“ und später als „copy and paste Anklage“. Angesichts der Verfahrenssituation kämen aber andere Möglichkeiten für eine Anklageschrift in Betracht, die die Staatsanwaltschaft nicht ausgeschöpft habe. Er macht deshalb einen Vorschlag, dem das Gericht umfänglich zustimmt. Nahrath wirkt darauf hin, überhaupt keine Beweisaufnahme durchzuführen, den heutigen Termin aufzuheben und neue Termine zu finden. Der Richter lächelt während Nahraths Ausführungen und nickt permanent. Trik schließt sich Nahrath an. Die Verhandlung sei vom Gericht nicht ordentlich angekündigt worden. So wurden vier Zeugen erst 24 Stunden vor dem Verhandlungsbeginn schriftlich informiert, dass sie geladen seien.
Die Terminfolge ist, da sind sich der Neonazi-Anwalt Nahrath, Anwalt Trik und der unbenannte Richter einig, „irgendwann im Herbst“ anzusetzen. Genaue Terminabsprachen erfolgen an diesem Tag nicht. Der Richter verkündet abschließend, er wolle zur Vorbereitung des zukünftigen Termins auch ein bis zwei vorherige Verfahren betrachten. Außerdem verlautbart er: „Meine Vorbereitung müsste auch umfassender sein.“
Staatsanwalt Merkel versucht schließlich, zumindest die Verlesung der Zeugenaussagen einzuführen. Das wird jedoch abgelehnt. Der einzige anwesende Zeuge, der Polizeibeamte Go., wird aufgerufen. Nachdem er sich auf den Zeugenstuhl gesetzt hat, wird ihm mitgeteilt, er könne wieder gehen und muss „irgendwann im Herbst“ wieder kommen.
So endet der erste Verhandlungstag gegen Philipp B. und Kai H. mit der gegenseitigen Versicherung von Verteidigung und Gericht, erst einmal gar nichts zu machen und darauf zu warten, dass Fristen ausgeschöpft werden.