Prozess #21 gegen Robin P.

Am 9. Juli beginnt der 21. Prozess am Amtsgericht Leipzig. Angeklagt ist diesmal der Dresdner Robin P., der sich durch den Anwalt Fricke vertreten lässt. Das Gericht ist mit der Jugendrichterin Ludewig, die bereits etliche der Täter zu milden Bewährungsstrafen verurteilte, und durch die Staatsanwälte Daute und Sprinz vertreten. Der Angeklagte P. kommt zu spät zum ersten von insgesamt 5 Verhandlungstagen. Besonders an dieser Verhandlung ist P’s Vorstrafenregister, das unter anderem den Vorwurf der Bildung einer kriminellen Vereinigung enthält. Trotz seiner insgesamt 9 registrierten Vorstrafen wird P. am Ende von Ludewig zu einer Bewährungsstrafe verurteilt – sie wolle „seiner positiven Entwicklung nicht im Wege stehen“.

In der Verlesung der Anklageschrift durch die Staatsanwaltschaft wird P. als „Heranwachsender“ bezeichnet. Danach wird erklärt, der Angeklagte würde sich nicht äußern. Rechtsanwalt Fricke fällt während der Verhandlung immer wieder durch Selbstinszenierungen auf, so etwa als er zu Beginn der Verhandlung auf die Frage von Ludewig, ob „man etwas vorziehen“ könne entgegnet, er parke sein Auto um. Die Beweisaufnahme wird schließlich nach einem kurzen hin und her eingeführt. Am ersten Verhandlungstag sind 5 Polizeibeamte und ein Augenzeuge geladen.

Der Polizeibeamte Fe. ist als erstes dran. Er war Führungshelfer des Hundertschaftsführers an jenem Abend. Er sagte bereits mehrfach bei vergangenen Verhandlungen aus, auch dieses Mal schildert er seine Eindrücke. Er spricht von „Schutzbewaffnung“ und Vermummungsgegenständen, die er wahrgenomnen hat.

Der zweite Polizeibeamte, Go., beschreibt als nächstes seinen Einsatz. Das Verhalten der Gruppe beschreibt er als „geschlossen“, es sei niemand einzeln gelaufen, die Gruppe habe aufeinander gewartet. Drei herumstehende Personen (2m, 1w) die er sah, waren aber anders gekleidet und gehörten augenscheinlich nicht dazu. Auf die Nachfrage des Anwalts Fricke antwortet Go, er erkennt das Gesicht von Robin P. wieder. Weil Fricke eine Karte fordert, zeichnet der Zeuge auf dem Richterpult eine Skizze.

Es folgt die Zeugenaussage des Polizeibeamte Kl. Dieser gibt kaum neue Erkenntisse, weil die Befragung durch Gericht und Staatsanwaltschaft mehrfach die gleichen Fragen zum Ablauf und allgemeinen Eindrücken stellt. Erneut jedoch gibt Kl. zu verstehen, er hat am Abend in der Gruppe Thomas K. erkannt, den „Leuchtturm von LOK“. Er habe eigentlich nach Benjamin B., dem Trainer des IFT und ehemals in den Lok-Leipzig-Strukturen aktiv, gesucht. Den habe er aber nicht erkannt. Auf Fragen zum Geschehen in der Innenstadt hin erklärt der Zeuge, die Teilnehmenden von Legida kommen auch aus dem Umland, es handele sich um „die üblichen Pappenheimer, Leipziger Speckgürtel“. Nachdem ein weiterer Zeuge, der Anwohner A. wegen Erkrankung nicht erscheint, beantragt Fricke ein Ordnungsgeld mit dem Spruch „Wer im Rollstuhl sitzt, weiß das“. Deswegen beschließt Richterin Ludewig, ab dem nächsten Tag ein Ordnungsgeld zu verhängen sofern keine Erklärung abgegeben wird. Danach entsteht ein Gespräch zwischen Gericht und Angeklagtem, in dem das Gericht ihm vorhält, einen Termin bei der Jugendgerichtshilfe in Dresden abgelehnt zu haben. Als nächstes erfolgt die Befragung des Zeugen B., ebenfalls Polizeibeamter. Dieser schildert sein Vorgehen an dem Abend., es bringt jedoch keine neuen Erkenntnisse. Als nächstes ist der Polizist Fe. dran, der seinen Einsatz beschreibt. Dieser beschreibt die Stimmung, während die Gruppe festgesetzt worde, als „sehr diszipliniert“, und dass sie „überging in eine lockere, gelöste Stimmung“. Auch Fe sagt, er erkenne Robin P.s Gesicht wieder.

Die letzte Zeugenbefragung an diesem Tag erfolgt von W., einem Augenzeugen. Dieser hat aber gar keine Vorladung bekommen und erst über einen Anruf vor zwei Stunden erfahren, dass er im Gericht auftauchen müsse. Er will seine Adresse nicht nennen, aber Fricke insistiert. Er erklärt schließlich, unterwegs gewesen zu sein als er die Gruppe an der Ecke Biedermannstr./Meusdorfer Str. sah. Jemand hat Steine mitgeführt, er hat Gegenstände in den Händen erkannt und einige vermummte Gesichter gesehen. Seine Befragung endet nach wenigen weiteren, irrelevanten Fragen aller Beteiligten. Nach einem kurzen Gespräch zwischen Verteidigung und Gericht wird die Verhandlung unterbrochen. Sie wird knapp eine Woche später fortgesetzt.

Zum zweiten Termin kommt Robin P. abermals zu spät, sein Anwalt ebenfalls. Es werden zwei Zeugen gehört. Zeugin 1 schildert als Anwohnerin das Geschehen, dass sie beobachtet hat. Der zweite Zeuge, Eigentümer eines Ladengeschäfts auf der Wolfgang-Heinze-Straße, bekam am Abend einen Anruf seines Mitarbeiters, der sich mit einer Kollegin im Laden aufhielt und ihn über das Geschehen informierte. Der Laden wurde fast komplett zerstört, es entstand ein Sachschaden von über 20.000€. Von diesem Betrag habe die Versicherung nur 8.500€ gezahlt, der Rest wurde über eine private Initiative getragen. Der dritte geladene Zeuge erscheint nicht, Richterin Ludewig verhängt ihm gegenüber ein Ordnungsgeld von 150€ und sofern zahlungsunfähig eine Haftstrafe von 2 Tagen. Im Anschluss daran werden die Mitschnitte der Notrufe gehört, daraufhin Beweisvideos von der Polizei und von Anwohnern. Vom restlichen Verhandlungstag liegt uns kein Protokoll vor.

Am dritten Tag wird die Beweisaufnahme fortgesetzt. Fricke stellt am Anfang einen Antrag, das Verfahren auszusetzen, weil sein Mandant nicht so schnell lesen könne. Außerdem bestünde kein Bezug zum Angeklagten. Er behauptet, man bräuchte noch 20-30 Verhandlungstage um dem Gerecht zu werden. Er droht schließlich bis zum Bundesverfassungsgericht gehen zu wollen, sollte seinem Antrag nicht stattgegeben werden. Die Staatsanwaltschaft erwidert darauf, der Verteidiger habe die Akten vorliegen und deshalb die Verantwortung, seinem Mandanten über den Inhalt in Kenntnis zu setzen. Sein Antrag wird schließlich abgelehnt.

Erneut werden Zeugen geladen. Der erste ist ein Anwohner, der aus einem Fenster das Geschehen beobachtete. Er spricht von koordiniertem Vorgehen und einem in einem Dönerladen geworfenen Sprengsatz, auch davon, dass es aus seiner Sicht keine friedlichen Teilnehmer gab. Seine Videos habe er der Polizei Dresden übergeben. Fricke beantragt schließlich die Inaugenscheinnahme des Videomaterials, um zu prüfen ob sein Mandant überhaupt vor Ort war. Die Staatsanwaltschaft hält ihm einen Brief seines Mandanten entgegen, den Robin P. am 3.5.16 an die Polizei stellte und in dem er erklärt, keinen Stein und keine Flasche geworfen zu haben – womit er impliziert, vor Ort gewesen zu sein. Nach einem kurzen bürokratischen Wortgefecht wird die Befragung durch Richterin und Staatsanwaltschaft fortgesetzt. Es folgt die zweite Zeugin dieses Tages, eine Anwohnerin. Diese berichtet von ihren Eindrücken und muss sich diversen Fragen der Verteidigung stellen. Im Anschluss daran wird der Zeuge A. geladen, der jedoch wiederholt nicht erscheint. Ihm wird von Ludewig ein doppeltes Ordnungsgeld aufgebrummt: er muss 300€ zahlen oder 3 Tage in Ordnungshaft gehen. Sollte er nicht zahlen wird er länger im Gefängnis sitzen, als alle Angeklagten zusammen. Weil der Zeuge nicht erschien geht es direkt weiter mit der vierten Zeugenbefragung. Die Zeugin erscheint ebenfalls nicht, aber weil sie nicht ordnungsgemäß geladen wurde.

Danach scheint die Beweisaufnahme abgeschlossen zu sein, es erfolgt der Bericht der Jugendgerichtshilfe. Diese beantragt selbst, die Öffentlichkeit auszuschließen. Fricke stimmt ihr zu. Mit der Begründung des Schutzes der persönlichen Daten des Angeklagten gibt Ludewig dem statt.

Nachdem die persönlichen Verhältnisse abgehandelt sind, wird doch nochmal ein Zeuge geladen – Maik W., der selbst Angeklagter im 1101-Prozess ist. Auf sein Verweigerungsrecht verzichtet der Zeuge bzw. Angeklagte, der selbst in Taucha wohnt. Er behauptet von Freunden abgeholt worden zu sein mit dem Ziel „in die Stadt“ zu fahren. Weil er in seinem gesamten Leben noch nie bei einer Demo gewesen sei, habe er sich nicht gewundert. Er sei mit zwei Freunden, Stefan H. und Ronny G. in ein Auto eingestiegen, dessen Fahrer er nicht gekannt habe. Geparkt hätten sie in der Auerbachstraße. Nach wenigen weiteren Aussagen, die keinen Mehrwert haben, wird seine Befragung beendet.

Der nächste Zeuge, Herr M., erscheint ebenfalls nicht. Auch ihm brummt Ludewig ein Bußgeld von 150€ bzw. 2 Tagen Ordnungshaft auf. Danach wird die Verhandlung wieder unterbrochen.


Satte 4 Wochen später wird die Verhandlung fortgeführt. Mehrere Zeugen, die geladen werden sollten, sind nicht erscheinen. Darunter befindet sich u.a. Herr M., dessen Adresse nicht ladungsfähig war. Ronny G., bereits verurteilt für seine Beteiligung am Angriff auf Connewitz, ist ebenfalls nicht gekommen – Begründung: Urlaub. Anderthalb Stunden nach Verhandlungsbeginn geht es dann wirklich los – der Angeklagte war bis 10.22 noch nicht anwesend. Zwei weitere Zeugen, der Anwohner Q. und die Anwohnerin K. sind ebenfalls nicht erschienen. Trotz der vierwöchigen Pause zwischen den Verhandlungen echauffiert sich Anwalt Fricke darüber, nicht genug Zeit zum Lesen der Akten gehabt zu haben. Die Staatsanwaltschaft ist hingegen der Auffassung, dass es genug Zeit dafür gab. Richterin Ludewig hält Fricke schließlich entgegen, die Akten hätten zum vergangenen Verhandlungstag da gelegen, aber Fricke habe sie nicht mitnehmen wollen, weil er im Cabrio unterwegs war. Nach einem kurzen Wortgefecht beschließt Fricke diverse Anträge zu stellen, die jedoch abgelehnt werden.

Nach einem weiteren Antrag von Fricke, den nicht Anwesenden ein Ordnungsgeld bzw. eine Ordnungshaft anzuordnen, ergeht der richterliche Beschluss, dass auf weitere Zeugen verzichtet wird, weil davon „keine neuen Erkenntnisse zu erwarten“ seien.

Es erfolgt die Sichtung des Auszugs aus dem Bundeszentralregister.

Darin hat Robin P. geschlagene 8 Einträge, die sich über einen Zeitraum von 2011-2016 ziehen. Sie enthalten einen Eintrag vom 28.7.11 wegen Diebstahls und Körperverletzung, zwei Einträge von 2012 mit drei Fällen von Diebstahl und einer Körperverletzung, zwei Fälle aus 2013, darunter ein Fall von Betrug und ein Fall vom 28.11. von Verstoß gegen das Versammlungsgesetz. Der Eintrag von 2014 betrifft einen weiteren Diebstahl und eine Sachbeschädigung, der Eintrag vom 11.5.2015 sogar die Bildung einer kriminellen Vereinigung und Tateinheit mit Körperverletzung. Nach dem Angriff auf Connewitz findet sich auch noch ein Eintrag vom 1.4.16 mit Verstoß gegen das Vermummungsverbot. Die Jugendgerichtshilfe will dem nichts hinzufügen. Nachdem noch die Fotos von P. vom Tatabend gezeigt werden wird die Beweisaufnahme beendet.

Es folgen die Plädoyers.

Die Staatsanwaltschaft ist in ihrem Plädoyer der Auffassung, dass Robin P. nach Erwachsenenstrafrecht zu verurteilen sei, weil er im Januar 2016 bereits 2 Jahre im Berufsleben stand, eine eigene Wohnung führte und nicht mehr mit einem Jugendlichen vergleichbar war. Für ihn spräche jedoch, dass er seit dem 11.01.2016 nicht mehr straffällig geworden sei (sic!). Seine Vorstrafen sprächen jedoch gegen ihn. Die Staatsanwaltschaft fordert deswegen 1 J und 6 M, sieht aber „eine positive Sozial- und Kriminalprognose“.

Rechtsanwalt Fricke sagt in seinem Plädoyer einen Haufen wirres Zeug. Letzten Endes fordert er gar nichts.

Das Urteil

In ihrer Urteilsverkündung erklärt Ludewig, sie verurteilt den Angeklagten Robin P. zu einer Bewährungsstrafe von einem Jahr und fünf Monaten. Sie verurteilt ihn nach Erwachsenenstrafrecht. Sie sieht eine Bewährung jedoch angebracht, weil sie „ihm nicht im Wege stehen“ wölle „ein rechtschaffenes Leben zu führen“ und ihm trotz seines ellenbogenlangen Vorstrafenregisters „die Chance geben“ will, sich zu bessern.