Fast unbemerkt findet am 21.10.2019 die Verhandlung gegen Marc G. & André B. statt. Noch vor Beginn steht fest, dass das Verfahren gegen André B. abgetrennt wird. Marc G. wird schließlich nach einer knappen Stunde Verhandlung zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr auf zwei Jahre Bewährung verurteilt. Das Urteil ist zum Stand des 02.11.2019 noch nicht rechtskräftig.
Für seine Beteiligung am Angriff auf Connewitz musste sich am 21. Oktober 2019 der 36-jährige Marc G. vor dem Amtsgericht Leipzig verantworten. Das Verfahren gegen den ursprünglich Mitangeklagten, Andre B., war zuvor abgetrennt worden. Eine Verfahrensabsprache habe es nicht gegeben, so die Richterin, lediglich einen „Erörterungstermin“ im Mai.
Die Ränge in Saal 200 sind fast leer. Zeugen sind nicht geladen, auch Freunde oder Angehörige des Angeklagten haben sich nicht eingefunden. Die Anklageschrift ist altbekannt: Man habe sich in Connewitz getroffen, „um Gewalttätigkeiten zu begehen“, was einen besonders schweren Fall des Landfriedensbruchs darstelle. Zahlreiche Sachschäden werden aufgezählt, von Körperverletzungen ist jedoch keine Rede.
In einer durch seine Verteidigerin Cornelia Kleinert verlesenen Einlassung gibt Marc G. zu dabei gewesen zu sein. Er habe ursprünglich zur Legida-Demonstration gewollt, wo er immer mal wieder teilgenommen habe. Den Vortreffpunkt in Naunhof habe er nicht ungewöhnlich gefunden und sich daher nach Feierabend von jemandem mit dem Auto dorthin bringen lassen. Auch in Naunhof habe er sich noch nichts gedacht. Er habe eine grüne Jacke und eine „normale Jeans“ getragen. Alles sei sehr schnell gegangen. In Connewitz sei er ganz hinten gelaufen. Dort habe er sich „distanzieren“ wollen, was nicht gelungen sei. Er habe über die Auerbachstraße weggehen wollen und dabei als einer der Ersten von der Polizei eingekesselt worden.
Die Richterin merkt an, dass weder Spuren noch Feuerwerkskörper bei dem Angeklagten gefunden wurden. Danach ergreift Marc G. selbst das Wort. Er sei kein gewaltbereiter Mensch. An jenem 11. Januar 2016 habe er sich eigentlich zu einem Bekannten absetzen wollen, der in Connewitz eine Autowerkstatt betreibe.
Die Richterin wendet ein, dass – laut einer Einlassung von Maik W. und Ronny G. – bereits in Naunhof Sturmhauben verteilt wurden. Der Angeklagte erklärt, relativ spät in Naunhof angekommen zu sein. Sich wieder aus Naunhof abholen zu lassen, wäre schwierig geworden, deutet er an, denn vor lauter Aufregung habe er die PIN seines Handys vergessen. In Connewitz sei er schließlich „ganz ganz hinten gelaufen“.
Nun betont die Richterin die Bedeutung von Mitläufern, zu denen sie den Angeklagten zählt. Sie würden anderen ein schnelles Agieren und Untertauchen erst ermöglichen.
„Es tut mir leid“, sagt Marc G. auf Nachfrage. Er schließe sich solchen Sachen nicht mehr an und habe unmittelbar nach dem 11. Januar 2016 alle Kontakte abgebrochen. Die Frage der Richterin, ob er ein Fan des Fußballclubs 1. FC Lokomotive Leipzig sei, verneint er.
Auch die Frage der Staatsanwaltschaft, ob er in Naunhof Maskierungen oder Baseballschläger gesehen habe, beantwortet der Angeklagte mit nein. Ebensowenig habe er Masken und Baseballschläger in Connewitz gesehen – offenbar hätten Leute sie unter den Jacken getragen. „Wenn Sie hinten liefen, warum haben Sie sich dann nicht abgesetzt?“, will der Staatsanwalt nun wissen. Die Gruppe sei sehr groß gewesen, erwidert G., und die Gewalt habe er erst in der Wolfgang-Heinze-Straße mitbekommen.
Nachdem einige Dokumente im Selbstleseverfahren in das Verfahren eingeführt werden, nehmen die Verfahrensbeteiligten Fotos des Tatabends in Augenschein. Danach weist die Richterin darauf hin, dass auch eine Verurteilung wegen „unbenannten Falls des schweren Landfriedensbruchs“ möglich sei.
Für sein „ostentatives Mitmarschieren“ fordert der Staatsanwalt eine Haftstrafe von einem Jahr und vier Monaten, die für zwei Jahre zur Bewährung auszusetzen sei. Neben den Verfahrenskosten soll der Angeklagte zudem 1500 Euro an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen. Die Verteidigerin beginnt ihr Plädoyer mit der Anmerkung, dass ihr Mandant in die Sache „reingeschlittert“ sei, „blauäugig und naiv“. Sie bittet um eine milde Strafe und versichert, dass G. die Strafe des Gerichts annehmen werde.
Der Angeklagte, der mit Freundin und Kind zusammenlebt und als Selbstständiger im Baugewerbe rund 1000-1300 Euro netto im Monat verdient, macht von seinem Recht auf das letzte Wort Gebrauch: „Mir tut es wirklich leid. Hätte es gern rückgängig gemacht, aber das geht ja nicht.“
Das Urteil wird rund eine Stunde nach Verhandlungsbeginn verkündet. Marc G. wird zu einem Jahr Haft verurteilt, die Strafe wird für zwei Jahre zur Bewährung ausgesetzt. Er trägt die Verfahrenskosten und Auslagen und muss zudem 1500 Euro an den „Mütterzentrum Leipzig e.V.“ zahlen. Zu Gunsten des Angeklagten wird seine als Geständnis gewertete Einlassung gezählt, sein leeres Vorstrafenregister und seine Worte des Bedauerns, der Distanzierung und der Empathie mit den Betroffenen. Auch dass die Tat dreieinhalb Jahre zurückliegt, rechnet das Gericht ihm an. Zu Lasten des Angeklagten wertet es die enorme Schadenshöhe.
Das Urteil ist noch nicht rechtskräftig.