Prozess #13 gegen Jason S.

Am 22. März wird am Amtsgericht Leipzig gegen Jason S. aus Wurzen verhandelt. Angeklagt war zugleich Toni S. Dieses Verfahren wird jedoch aufgrund einer Erkrankung abgetrennt. Jason S. wird wegen seiner Beteiligung an den Überfall auf Connewitz zu einem Jahr und vier Monaten, ausgesetzt zur Bewährung, verurteilt. Das Urteil ist rechtskräftig.

Die Verhandlung gegen Jason S. wird von Amtsrichterin Höhme geführt. Jason S. wird von Rechtsanwältin Schneiders vertreten, für die Anklage ist Staatsanwältin Papproth anwesend. Zu Beginn teilt Richterin Höhme mit, dass das Verfahren gegen den Mitangeklagten Toni S. aufgrund einer Erkrankung abgetrennt und gesondert verhandelt.

Anklageverlesung

Dem 31 Jahre alten Monteur Jason S. wird in der Anklageschrift von Staatsanwältin Papproth vorgeworfen, sich am 11. Januar 2016 mit etwa 250-300 rechtsgesinnten Personen verabredet zu haben, um Straftaten zu begehen. Die Gruppe sei überwiegend vermummt durch den linksgeprägten Stadtteil Connewitz gelaufen um Gewalthandlungen zu begehen. Der Angeklagte habe sich an den Handlungen beteiligt. Er wird beschuldigt Gewalt gegen Sachen begangen zu haben. Vorgehalten wird ihm eine Tatbeteiligung nach § 125a StGB (besonders schwerer Fall des Landfriedensbruchs). Über zehn Minuten liest die Staatsanwältin die Schadensprotokolle des Abends vor.

Einlassung des Angeklagten
Anwältin Schneiders trägt die Einlassung ihres Mandanten vor. Er räume den Anklagepunkt ein, sich am 11. Januar 2016 mit anderen Personen in Leipzig gesammelt zu haben. Von dem tatsächlichen Vorgehen habe er nichts mitbekommen. Während des Geschehens sei er ganz hinten gelaufen. An den Straftaten habe er sich nicht beteiligt. Mit anderen Personen sei er an der Gruppe vorbeigelaufen. Als die Polizei eintraf, sei er in die Gruppe gegangen. Er bedauere es, wenn durch die Randalierer Unbeteiligte zu Schaden gekommen seien. Er selbst sei mit seinem eigenen PKW angekommen und dabei anderen Autos hinterher gefahren.
In der anschließenden Befragung durch die Richterin erklärt der Angeklagte, der Treffpunkt sei die Autobahnausfahrt Naunhof an der A14 gewesen. Er könne nicht beurteilen, wieviele PKW dort waren, weil er nur „durch Mundpropaganda“ von einer Verabredung erfahren habe. Dabei sei die Rede davon gewesen, an dem Legida-Aufmarsch teilzunehmen. Er sei alleine zum Treffpunkt gefahren. Ob es eine Kleidungsabsprache gegeben habe, verneint der Angeklagte durch ein Kopfschütteln. Im Anschluss sei man „gesammelt und geschlossen marschiert“. Bis zum Beginn der Ausschreitungen seien sie etwa 10-15 Minuten zu Fuß gelaufen. Er habe nicht gewusst, wo er sich zu diesem Zeitpunkt befand, er sei nicht ortskundig. Die Gruppengröße schätzt der Angeklagte auf etwa 100 Personen. Ob noch welche dazu gestoßen wären, will er nicht beantworten. Ob die Gruppe „dunkel gekleidet“ oder vermummt gewesen sei, könne er nicht sagen. Er selbst habe einen Schlauchschal dabei gehabt. Vor Ort habe er niemanden ge- bzw. erkannt. Während des viertelstündigen Fußmarschs seien ihm keine Waffen aufgefallen, erst als die Beschädigungen begangen worden, habe er sie bemerkt. Er habe gesehen, wie Fenster zerstört wurden, mehr jedoch nicht. Die Polizei nach sei etwa fünf Minuten eingetroffen sei. Der Marsch sei „relativ geradeaus“ gegangen, er sei dabei „relativ weit hinten“ gelaufen. Festgesetzt worden sie in der Auerbachstraße.
Auf die Frage nach einem Kommando, antwortet der Angeklagte, es habe laute Rufe und Geschrei gegeben. Warum er sich nicht entfernt habe, beantwortet S. damit, sich nicht ausgekannt zu haben und schockiert gewesen zu sein. Er sei „normal gekleidet“ gewesen (Jeanshose und Jacke). Nach dem Eintreffen der Polizei habe es keine Gewalt gegen Polizisten gegeben. Sie seien gekesselt, fixiert und nach und nach abtransportiert worden. Auf der Wache hätte es eine Identitätsfesttellung geben. Gegen 5 Uhr des Folgetages seien sie schließlich entlassen worden.
Als nächstes führt Staatsanwältin Papproth die Befragung fort. Sie will wissen, wann dem Angeklagten klar wurde, dass er nicht bei Legida sei. S. antwortet darauf, dass er dachte, sie befänden sich auf dem Weg zu Legida. Es war „permanent laut“ und er habe Geschrei gehört. Zu den Sachbeschädigungen sagt er, das sei „alles ringsum mit einmal“ gewesen. Ob er Personen erkannt habe, fragt die Staatsanwältin ebenfalls. Sie erwarte aber nicht, dass der Angeklagte jetzt Namen nenne. Entsprechend erklärt S., er könne dazu keine Angaben machen.
Richterin Höhme fragt danach, ob S. Pyrotechnik wahrgenommen habe. S. verweist auf einen lauten Knall mitten im Geschehen. Ein Banner habe er nicht mitbekommen.
Auf die Frage von Staatsanwältin Papproth nach einem Anführer, erklärt S., dass niemand aus der Menge herausgestochen, niemand viel gesprochen habe. Beim Laufen habe es jedoch Anweisungen gegeben. Auf die Frage wie groß der Anteil der Randalierer sei macht der Angeklagte keine Angabe außer die Bemerkung „Einzelne Personen waren das“. Er habe  Steine oder Latten in der Auerbachstraße gesehen, anderes aber nicht. Damit endet die Befragung des Angeklagten um 10 Uhr nach ca. 20 Minuten. Die Beweisaufnahme wird 10:05 Uhr eröffnet.

Dabei will Richterin Höhme  die Verlesung der Urkunden im Selbstleseverfahren einführen, Rechtsanwältin Schneiders bittet dafür um 5 Minuten Zeit. Es werden schließlich folgende Zeugenaussagen, Protkolle und Urkunden im Selbstleseverfahren eingeführt: Die Aussagen der Zeugen F. (Mitangeklagter im FKD-Prozess), Herren F., G., K., F. Und B. (Polizeibeamte), die Zeugenaussagen der Anwohner_innen und Geschädigten Herrn Q., Herrn A., Herrn T., Herrn P., Herrn K. Hr. S. sowie Fr. G., Fr. W., Fr.S, Fr. O.
Verteidigerin Schneiders bittet um eine Abschrift des zu Lesenden. Daraufhin werden die Lichtbilder des Angeklagten angeschaut. Um 10:22 Uhr werden die ersten Videoaufnahmen des Tatgeschehens in die Verhandlung eingeführt. Die Verteidigung stellt im Anschluss fest, dass eine DNA-Probe keine Spurentreffer ergeben habe. Die Verhandlung wird schließlich bis 11:45 unterbrochen. Im Anschluss daran beantragt die Staatsanwaltschaft die zusätzliche Einführung der Zeugenaussagen des Polizeibeamten H. Sowie des Mitangeklagten F. Die Verteidigung habe ihre Zustimmung erteilt. Weil alle Verfahrensbeteiligten davon Kenntnis genommen hätten seien die Aussagen im Selbstleseverfahren eingeführt worden.Nach der Unterbrechung erfolgt die Feststellung der persönlichen Verhältnisse des Angeklagten. Zum 08. Januar 2019 hat dieser 2 Einträge im Strafregister. Am 09.07.2017 sei er wegen Fahrens ohne Führerschein und am 30.03.2017 wegen einer Sachbeschädigung verurteilt worden, die Strafbefehle seien bereits vollständig vollstreckt worden.
Die PlädoyersDie Staatsanwaltschaft sieht die Anklageschrift bzw. den Vorwurf darin aufgrund der Einlassung des Angekagten bestätigt. Demnach hat er sich am 11.01.2016 mit der „rechtspolitischen Gruppe“ getroffen. Von Naunhof seien sie geordnet und gemeinsam nach Connewitz gefahren um nach dem Abparken zusammen zu marschieren. Durch die Verlesung der Urkunden hat sich der Sachverhalt bestätigt, dass nach einem gemeinsamen Ruf Sachbeschädigungen begangen worden. Mittels Pyrotechnik, Gegenständen und Werkzeug wurde fremdes Eigentum zerstört. Die Gruppe habe dabei die Gewalttäter, die „einzeln Handelnden“ geschützt. Dass der Angeklagte Teil dieser Gruppe war sieht die Staatsanwältin bestätigt. Es sei zwar unbekannt wie groß die Gruppe genau war, doch die gesamte Organisation dahinter habe auch das Ziel gehabt, so viele Leute wie möglich zu sammeln. Es sei Fakt, dass sie geschlossen nach Leipzig fuhren, weiterhin geschlossen geblieben sind und Teil dessen waren, als Gewalt begangen worde. Daher sei es irrelevant, ob der Angeklagte im Detail davon gewusst habe. Er habe billigend in Kauf genommen was dort passierte. Sein Schlauchschal deute auf eine Vermummungsabsicht hin. Der Angeklagte Jason S. Sei daher anhand des §215 StGb für Landfriedensbruch – nicht besonders schweren Landfriedensbruch – schuldig zu sprechen. Dabei sei „niemand wirklich unbeteiligt“. Die Gesamtgruppe wollte gewalttätig handeln und Andere in ihrem Hab und Gut einschränken. Es hat eine Gefahr für Leib und Leben bestanden. Zur Bestimmung der Täterschaft verweist sie abermals auf §125. Durch alle an der Gruppe Beteiligten sei ein Tatbeitrag gewährleistet, das sei von grundsätzlicher Bedeutung. Die Tat sei nur dadurch möglich gewesen das sich viele daran beteiligten um die Zuordnung einzelner Taten zu erschweren. Der Angeklagte sei nicht zufällig anwesend gewesen. Sein eigener Tatbeitrag sei kein untergeordneter, sondern ein wesentlicher 
Tatbeitrag. Ihm sei bekannt gewesen, dass Connewitz ein linksgeprägter Stadtteil sei. Die Größe der Gruppe habe die Verteidigungs- und Schlagkraft durch die Masse verstärken sollen. Das Bleiben in der Gruppe habe nach Außen Solidarität signalisiert und dadurch die Möglichkeit gegeben so zu handeln. Eine eigenhändige Begehungsweise nach §125 StGb sei gegeben, auch wenn keine konkreten Sachbeschädigungshandlungen nachgewiesen werden konnten. Weil ein erheblicher Schaden entstanden ist und es sich um eine abgesprochene Aktion handelte müsse von besonders schwerem Landfriedensbruch ausgegangen werden. Man dürfe nicht vergessen, dass „in Connewitz auch andere Leute wohnen“ und die „Ausschreitungen in einem Wohngebiet“ stattfanden. Der Angekagte habe ein glaubhaftes Geständnis abgegeben. Die Staatsanwältin gibt außerdem bekannt, dass der Angeklagte „keine Straftaten weiter begangen [habe] außer einer Sachbeschädigung“. Sie empfehlt deswegen ein Strafmaß am unteren Rand anzusetzen. Sie plädiert auf eine Strafe von einem Jahr und vier Monaten auf Bewährung, weil der Angeklagte „integriert in das Sozial- und Berufsleben“ sei. Mit seinen zwei Einträgen im Strafregister sei Jason S. „ganz unerheblich in Erscheinung getreten“. Sie hält eine Bewährungszeit von zwei Jahren mit einer Auflage von 2500€ für angemessen, die der Angeklagte an eine gemeinnützige Einrichtung zahlen solle. Seine Verurteilung wäre seine erste Freiheitsstrafe. Die Einziehung des Schlauchschals wollte sie zwar beantragen, doch die zuständige Polizeibehörde hat diesen bereits ausgehändigt.

In ihrem Plädoyer erklärt Verteidigerin Schneiders, das Verfahren gegen ihren Mandanten sei „nur eines von vielen Verfahren“. Bei diesen könne man „nicht alle pauschal über einen Kamm scheren“. Der Staatsanwältin sei lediglich in dem Punkt zuzustimmen, dass „die Wenigstens“ davon Kenntnis gehabt hätten. Hätten viele Personen den konkreten Tatplan im Kopf gehabt wäre, so Schneiders weiter, „etwas durchgesickert“. Ihr Mandant sei jedoch in das Tatgeschehen „reingeraten“. Es sei sicher dass nicht alle festgesetzt worden, es gibt viele Hinweise auf Flüchtige. Nicht ohne Grund habe die Polizei hinter die Gruppe gefilmt als sie sie festsetzte. Ihrem Mandant würde „zugemutet werden“ in einem linken Stadtteil wegzugehen. Im hinteren Teil des Marschs seien keine Sachbeschädigungen begangen worden. Die Beweisaufnahme zeige stattdessen Einzelne, die Gewalttaten begangen hätten. Zusätzlich habe es keine DNA-Treffer ihres Mandanten gegeben. Er habe sich daher nicht aktiv beteiligt – „er war da, das war‘s!“. Einen Schlauchschal im Januar mitzuführen sei normal. Sie weist zusätzlich darauf hin, dass ihr Mandant eine Blue Jeans und eine schwarze Jacke trug. Der zugrunde liegende Fall für den Sachverhalt des ostentativen Mitmarschierens sei ein „hoch interessantes Thema“, das vor dem BGH als „3. Halbzeit“ diskutiert worde. Man müsse dabei den Einzelfall beachten. Ob dieser konkret anzuwenden sei hinterfragt sie. Ihr Mandant habe sich nie in einem gewaltbereiten Fußballmilieu befunden sondern habe zu einer friedlichen Demo gewollt. Ihr Mandant solle daher freigesprochen werden. Ihr Mandant, der Angeklagte Jason S. Kommt abschließend selbst zu Wort und sagt dabei, er schließe sich seiner Verteidigung an, wenngleich er das Tatgeschehen bedauere. 
Damit wird die Verhandlung um 12:45 zur Urteilsfindung unterbrochen. 

Das UrteilRichterin Höhme erklärt in ihrem Urteil, der Anklagevorwurf habe sich bestätigt. Der Angeklagte ist demnach mit ca. 250 rechtsgesinnten Personen durch Connewitz gezogen. Mehrere Angaben des Beschuldigten seien zum Sachverhalt gegeben worden. Ein Schaden über 100.000€ ist entstanden. Es stehe zwar nicht fest, dass der Angeklagte selbst Gewalthandlungen begangen habe, aber durch das gemeinsame Marschieren habe er diese Taten gestützt. Die Gruppe sei überwiegend schwarzgekleidet und vermummt gewesen. Während der Handlungen wurden Schaufenster zertrümmert „ohne zu gucken ob da Leute noch dahinter waren“. Er habe sich an dem Geschehen durch das ostentative Mitmarschieren beteiligt. Für den §125 brauche es den Nachweis einer konkreten Handlung nicht. Durch seine Handlungen habe der Angeklagte die Gewalttaten ermöglicht. Die Menge an Personen habe es gebraucht um keine zu große Gefahr einzugehen. Sie ist überzeugt, dass der Angeklagte ab dem Treffpunkt an der A14 von den Gewalthandlungen gewusst hat und diese auch dem Willen des Angeklagten entsprächen. Dem Angeklagten habe nicht verborgen bleiben können, dass die Gruppe während des 15 mintügien Fußmarschs vermummt und bewaffnet gewesen sei, selbst Unbeteiligte wie der Zeuge Q. hätten die Bewaffnung erkannt. Als Teil der Gruppe hätte der Angeklagte das auch bemerken müssen. Sie glaubt ihm zwar, ein anderes Ziel gehabt zu haben, aber schon auf der Biedermannstraße hätte er ein anderes Vorgehen bemerken und sich deswegen entfernen müssen. Auch auf der Wolfgang-Heinze-Straße habe die Möglichkeit dazu bestanden, wenn er die Gewalthandlungen nicht gebilligt hätte. Die Kleidung des Angeklagten möge zwar „normal“ sein, aber auffällig sei doch die einheitliche Kleidung der Gruppe, der die des Angeklagten entspricht. Es handelt sich Richterin Höhme folgend um den Fall des besonders schweren Landfriedensbruchs, jedoch nicht nach Absatz 2 oder 4, weil dafür konkrete Handlungen nachzuweisen seien. Vielmehr handele es sich um einen unbenannten besonders schweren Fall, der sich aus den Umständen der Tat ergibt – dem massiven Sachschaden und der erheblichen Gefährdung der öffentlichen Sicherheit. Zu Gunsten hält sie dem Angeklagten, dass er die „objektiven Umstände“ geäußert habe, eine lange Zeit bis jetzt vergangen sei und er „nur gering vorbestraft“ sei. Die Umstände in der Tat und seiner Persönlickeit – seine „gute Integration“ mit Beruf, Familie und Kind – sowie der Umstand, dass er die Tat „objektiv eingeräumt“ habe, würden seine Bereitschaft zeigen darüber nachzudenken. Eine umfassende Beweisaufnahme sei deswegen nicht nötig. Die Strafe von einem Jahr und vier Monaten, zu der der Angeklagte verurteilt wird, soll auf Bewährung ausgesetzt werden. Der Angeklagte trägt die Kosten des Verfahrens und ihm wird eine Auflage von 2000€ zu Gunsten der Staatskasse erteilt. Damit endet der 13. Prozess am Leipziger Amtsgericht um 12:55 Uhr pünktlich zur Mittagspause.